Gerichte müssen Beschwerden wegen Geheimdienstüberwachung prüfen
Gegen Ende des Jahres 2020 ging es durch die Medien: Das Bundesgericht der Schweiz hiess eine Beschwerde, die wegen der Kabelaufklärung geführt wurde, für gut. Nun geht die Sache zum Bundesverwaltungsgericht, das klären muss, ob die Grundrechte des Klägers tatsächlich verletzt worden waren.
Kabelaufklärung als Teil der Massenüberwachung
Die Schweizer Behörden können ohne Anlass und Verdacht eine sogenannte Kabelüberwachung durchführen, mit der eine Massenüberwachung möglich ist. Damit wird der Datenverkehr, der zwischen der Schweiz und dem Rest der Welt hin- und hergeht, lückenlos überwacht. Das neue Nachrichtendienstgesetz von 2017 ermöglichte diese Massnahme, die die Schweizer Bevölkerung in einer Abstimmung bewilligt hatte.
Die Digitale Gesellschaft Schweiz hatte nun eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht, genau aus dem Grund, dass es sich um eine anlasslose und von jedem Verdacht unabhängige Überwachung handele. Das Gericht aber sprach den Beschwerdeführern das Beschwerderecht ab. Der Grund für diese Entscheidung: Mit dem datenschutzrechtlichen Auskunftsrecht würde die Möglichkeit bestehen, bei Vorliegen von Grundrechtsverletzungen eine Rüge gegen den Geheimdienst zu führen. Eine rechtmässige Überprüfung könnte damit vor Gericht durchgesetzt werden.
Auskunftsrecht war nicht ausreichend
Das Auskunftsrecht war beschränkt und wurde bisher für untauglich befunden, denn es galt lediglich für die Daten, die in einem Informationssystem des Geheimdienstes nachträglich abgespeichert worden waren und die einer Person zugeordnet werden konnten. Die Massenüberwachung setzt aber automatisch bei den Datenströmen an und erfasst alle Personen, die ihr Recht auf Auskunftserteilung gar nicht in genügendem Masse in Anspruch nehmen können. Genau in diesem automatischen Scannen besteht das erklärte Ziel der Kabelaufklärung: Sie soll möglichst viele Personen überwachen, die Kommunikation mit geheimen Suchbegriffen auswerten.
Von den Massnahmen könnten alle betroffen sein
Das Bundesgericht erliess am 1. Dezember 2020 das Urteil, in dem die Beschwerde der Digitalen Gesellschaft Schweiz gutgeheissen wurde und mit dem das vorige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben wurde. Der Grund: Die Massnahmen, die mit der Kabelaufklärung in Verbindung stehen, seien geheim und würden auch Betroffenen nicht nachträglich bekannt gegeben. Es gäbe demzufolge auch keinen Schutz gegen die Massnahmen.
Das Bundesgericht erkannte an, dass jede Person von der Massenüberwachung betroffen sein könne und dass bei der anlasslosen Massenüberwachung auch die Kommunikation innerhalb der Schweiz überwacht würde. Das Gericht war der Ansicht, dass das elektronische Scannen der Daten das Fernmeldegeheimnis beeinträchtige und dass das Recht auf informelle Selbstbestimmung mit den Massenüberwachungen verletzt würde. Dieses ist aber wiederum durch die Bundesverfassung geschützt und ebenso durch die Europäische Menschenrechtskonvention. Die Beschwerdeführer könnten nun keine einzelnen Massnahmen anprangern, sondern müssten in Ermangelung näherer Auskünfte das gesamte System der Kabelaufklärung anfechten. Betroffene, die sich in ihren Grundrechten verletzt fühlen, können sich nun an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg wenden.
Fazit: Nationale Gerichte müssen die Einhaltung der Grundrechte prüfen
Beschwerden über nicht eingehaltene Grundrechte dürfen nicht einfach abgeschmettert werden, wie nun das Urteil des Bundesgerichts beweist. Es gilt zum Beispiel, Daten zu schützen und jedem Bürger das Recht auf informelle Selbstbestimmung zuzugestehen. Das wiederum ist mit einem massenhaften Scannen der Kommunikation unter geheimdienstlichen Aspekten nicht möglich, zumal die Bürger noch nicht einmal Auskunft zu den über sie gespeicherten Daten erhalten können. Es ist jedoch mit den derzeitigen technischen Mitteln nicht möglich, einzelne Personen von der Überwachung auszunehmen, denn nur die flächendeckende Überwachung der Kommunikation kann im Sinne der Geheimdienste gewinnbringend sein. Ist dies aber tatsächlich nicht möglich und muss immer jedwede Kommunikation überwacht werden, lässt sich das nicht mit dem Grundrecht vereinbaren und die Einstellung der Kabelaufklärung könnte das einzig probate Mittel sein, um die Grundrechte zu wahren.
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